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Der Teppich hat das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht.

Hinweis: Dieser Artikel wurde in der Schublade „Mottenkiste“ abgelegt, es handelt sich daher um einen Archivbeitrag, Zeitangaben und aktueller Bezug sind mit Vorsicht zu genießen*. Bei dieser Filmbesprechung handelt es sich vermutlich um den Beginn meiner freien Schreiberei, weil ich mich mit diesem Artikel vor Ewigkeiten bei Schilfgewaechs.de beworben habe. Würde ich den Text heute noch genauso schreiben? Vermutlich nicht, insbesondere meine Interpretation scheint doch recht gewagt, andere Anspielungen des Films waren mit damals unbekannt. Aber vielleicht gefällt es Euch, was ein sehr viel jüngeres Ich über diesen schönen Film dachte.

„The Big Lebowski“ von Ethan & Joel Coen – Eine Besprechung

lebowski

© Universal Pictures

Jeffrey Lebowski: ein Mann wie ein Sitzsack. Zehn Jahre* sind vergangen, seit die Brüder Ethan und Joel Coen ihren Film um die Erlebnisse des Berufsfaulenzers mit dem Spitznamen „The Dude“ heraus brachten. Kasse und Kritik waren nicht begeistert, die spätere Fangemeinschaft dagegen umso mehr.Der Dude lebt ein einfaches Leben. Zwischen Bowling, Entspannungskassetten, Alkohol und gelegentlich einem kleinen Joint genießt er sein ereignisloses Dasein, in einer Gelassenheit die über simple Coolness weit hinaus geht. Die Probleme fangen damit an, dass sich eine Frau namens Lebowski finanziellen Ärger einhandelt. Obwohl es sich dabei natürlich nicht um die Gattin unseres versifften, ledigen Helden handelt, führt die Verwechslung mit seinem Namensvetter zu einem unerfreulichen Ereignis, das das Interieur des Dudes entscheidend verändert. Man mag es als persönlichen Fehler des Dudes ansehen, dass er nun mit seiner Trägheit bricht und aktiv wird. Aber sind wir doch ehrlich: niemand lässt sich gerne auf den Teppich pissen.

Was den Film schon auf den ersten Blick besonders macht, ist seine scheinbare Sinnfreiheit. Namhafte Schauspieler wie Jeff Bridges als Dude oder Julian Moore als Maude Lebowski spielen sich mit professionellem Ernst durch eine Reihe von absurden Situationen und psychedelischen Traumsequenzen. Der Film ist handwerklich wunderbar gestaltet. Bild, Ton und Schnitt sind auf dem üblichen, sehr hohen, Niveau der Coen Brüder. Dennoch macht dies für mich nicht den eigentlichen Charme des Filmes aus. Über den ganzen Film hinweg kann man sich an Details festhalten, die sich durch die Story ziehen. An ihnen lässt sich festmachen, ob und weshalb man den Film mag oder nicht.

Am Filmende jedoch vermittelt uns die interne Erzählinstanz, verkörpert durch einen Cowboy mit eindringlicher Stimme, die eigentliche Botschaft des Filmes: es gibt keine. Es ist eine Geschichte, die aus Freude am Erzählen erzählt wird. Unserem Mann mit Hut, Schnurrbart und dem angenehmen Kratzen in der Stimme ist es selbst vielleicht gar nicht bewusst, aber der Stil seiner Erzählungen strotzt nur so vor Kitsch. «Die Wagen ziehen nach Westen, sie fahren über den Sand der Zeit»: Ja, das ist wirklich Geschwafel. Aber auch darin steckt ein Motiv des Films. Trash, und zwar White Trash.

Wenn der Dude von einem schwarzen Taxifahrer aus dessen Wagen geworfen wird, nur weil er die Eagles nicht mag, dann müsste diese Szene eigentlich überflüssig sein, wenn es dem Film um mehr ginge als nur um das bloße Erzählen. Für jemanden wie mich, der sonst immer sehr gerne hinter die Kulissen schaut, nachforscht und interpretiert, ist dieser Film eine echte Erholung. Denn ‚The Big Lebwoski‘ zelebriert die reine Freude am Erzählen, ohne dass eine Notwendigkeit bestünde, das Gesehene aufwendig zu interpretieren.

Den Gebrüdern Coen kann ohnehin egal sein, dass der Film weder die Kritiker noch die Kinogänger beeindruckt hat. Stephen King soll einmal gesagt haben: «Ich bin ein Big Mäc – wie ich schmecke ist egal.» Genau darauf läuft es letztlich hinaus. Die Coen-Brüder haben inzwischen einen Status erreicht, der dem von Quentin Tarantino nahe kommt. Egal was sie drehen, es sind sofort namhafte Schauspieler dabei, und eine treue Fangemeinde wird den Film letztlich profitabel werden lassen. Ist dieser Zustand erstrebenswert?

Sagen wir es so: wenn der Dude von einer Limousine in die nächste gezerrt wird, ohne dabei seinen White Russian zu verschütten, kann man nicht nur auf meinem Gesicht ein Lächeln sehen. Unterhaltsam sind solche Filme also allemal, und vielleicht führt nur eine Einstellung wie die der Coen-Brüder zu dieser Art von Film. Wenn mich jemand verzweifelt fragt, ob ich ihm den Sinn von ‚The Big Lebowski‘ erklären könne, verwandelt sich dieses Lächeln in ein Grinsen.

Denn wer weiß: vielleicht lügt uns der Cowboy ja an und es gibt doch eine Botschaft des Films? Also entwerfe ich meinen zehnten oder zwanzigsten Erklärungsentwurf und habe dabei ein diebisches Vergnügen – denn letztlich bietet der Film Ansätze für unzählbare Erklärungsversuche. Mal sehen, vielleicht versuche ich es nächstes Mal mit dem amerikanischen Mythos der Grenze.

The Big Lebowski (USA) von Joel Coen, Drehbuch von Ethan & Joel Coen, lief 1998 in den deutschen Kinos.

„Der Teppich hat das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht.“ wurde ursprünglich für schilfgewaechs.de verfasst und dort veröffentlicht. Wer „The Big Lebowski“ auf Bluray kaufen möchte, kann dies unter diesem Link tun und mit seinem Einkauf die Medien-KuH unterstützen. Mehr Infos unter: medienkuh.de/support

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  1. Christoph Mathieu says

    In „The Big Lebowski“ werden nahezu alle dramaturgischen Grundregeln perfekt eingehalten. Lebowski unternimmt eine Heldenreise mit klaren dramaturgischen Stationen. Er selbst hat ein klares „Will“ und ein klares „Need“. Sein Antagonist stellt Lebowskis verdrängte Seite dar (die ihn letztlich antreibt, dem vermeintlich irrelevanten Teppich hinterherzujagen) – er hat ja sogar den gleichen Namen wie die Hauptfigur. Von daher mag der Film vielleicht keine gesellschaftliche Botschaft oder „Moral von der Geschicht“ haben, aber er ist absolut brillant und durchdacht komponiert und funktioniert nur scheinbar willkürlich oder anarchisch.